Menschen am Sonntag (in B.A.)

Der Sonntag ist ja der Tag an dem sich der emsige Porteño, so die Selbstbezeichnung der Buenosairiander, dem Müssiggang hingibt. Der Rest der Woche ist vermutlich anstrengend genug, all die ganzen Tanzveranstaltungen, schicken und nicht so schicken Restaurants, Bars und Boulevards die rund um die Uhr bevölkert werden müssen. (Heute ist übrigens Streik der öffentlichen Bediensteten. Keine Busse, keine UBahn, keine Müllabfuhr, in einer Stadt mit 12 Millionen Menschen. Erstaunlicherweise merkt man kaum etwas davon. Ausser dass halt Müll rumliegt und man kein Taxi bekommt.). Am Sonntag aber wird geruht oder flaniert (da läuft der Porteño dann noch langsamer als er es eh schon tut) Besonders gern in den diversen Parks der Stadt oder auf Feria – einer Mischung aus Trödel- und Jahrmarkt. Und um Punkt fünf, keinesfalls früher, wird Kuchen gegessen. In den Parks tauchen plötzlich Scharen mobiler Backwarenverkäufer und auf der Feria gibt es endlose Schlangen an Ständen die Minuten vorher menschenleer waren.

 

Wie ich einmal eine Briefmarke kaufte.

Ich habe eine Freundin die bekommt gerne Post. Also so richtig richtig gern. Und besonders gern von Orten von wo sie noch keine hat. Und weil ich ja in der letzten Zeit an ein oder zwei Orten gewesen bin die ein bisschen exotisch sind, hab ich ihr ein oder zwei Karten geschrieben. Das ist ja überall auf der Welt eine relativ simple Angelegenheit. Im Laden für Touristenbedarf die Karte mit dem seltsamsten Motiv aussuchen, was unleserliches draufkritzeln, für die Adresse die Dritte-Klasse-Druckbuchstaben malen, rausfinden was Deutschland in Landessprache heisst und eine Briefmarke besorgen und die Karte einwerfen. Entweder am gleichen Ort oder spätestens am Flughafen. Funktioniert so grundsätzlich auch z.B. in Nordkorea. Ausser dass es dort ein paar Wochen dauert bis meine Karten losgeschickt werden weil die Kryptographieexperten des Geheimdienstes Schwierigkeiten mit meiner Schrift hatten.

Auf dem Weg von Cordoba in Argentinien nach Buenos Aires habe ich einen kleinen Umweg über Asuncion, Paraguay gemacht. Einerseits um mal zu schauen ob das wirklich so ein ödes Kaff ist dass dort sonst niemand hinfährt (Es ist eine überraschend lebendige, sogar in Teilen moderne Großstadt in der es aber leider wirklich nicht viel zu sehen gibt was Touristen so interessiert. Falls man zufällig vorbeikommt, kann man sich aber gut zwei drei Tage die Zeit vertreiben. Z.B. im Hostel im Pool sitzen, denn es ist dort unfassbar heiss und schwül) und andererseits natürlich um eine Postkarte zu schreiben.

War schwierig. Es gibt in Asuncion und vermutlich in ganz Paraguay nur an einem einzigen Ort Postkarten. Zwei Tage lang habe ich erfolglos rumgefragt bis mir jemand den Tip gab, es doch mal in der Touristeninformation zu versuchen. Naheliegend aber auch erstaunlich wo es quasi keine Touristen gibt. Und deswegen ist es natürlich auch Quatsch, dass in der Info jemand sitzt der Englisch spricht. Eine Karte hab ich natürlich trotzdem gekauft, ein zeitloses Siebzigerjahremotiv.
Dass es dort keine Briefmarken gibt, hatte mir der Tipgeber schon gesagt, dafür muss man zur Post. Es gibt anscheinend nur eine in der Stadt. Großes Gebäude, viel Marmor, eine großzügige Halle die dekoriert ist mit Riesenbriefmarken (im ähnlichen Maßstab wie die Schecks die Autohaus-Geschäftsführer in der Weihnachtszeit gern an Einrichtungen für Witwen und Waisen überreichen) anlässlich eines Besuches von Ban Ki-Moon in der Stadt vor zwei Jahren.

Keine Ahnung wie das hier läuft, ich stelle mich an die kürzeste Schlange an. Ist natürlich falsch, Briefmarken gibts an der längsten.
Ich bin dran, sage meinen auswendig gelernten Satz und denke bei der Antwort ich habe mich verhört. Der Schalterdrachen hat einen Preis genannt, für den man in der Heimat ein mittelgroßes Päckchen durch halb Europa schicken könnte. Ich wiederhole Postkarte auf spanisch, in der Hoffnung es hätte beim ersten Mal vielleicht wie DHL Pluspäckchen geklungen. Sie wiederholt die Summe, ich denke mir was solls, ist ja Urlaub und stelle mir dabei die leuchtenden Augen der Postkartenliebhaberin vor, wenn sie ihren Briefkasten öffnet.
Ich zähle mein Geld ab, will es über den Schalter reichen, ernte eine abwehrende Handbewegung von der Frau die nun anfängt ein Formular auszufüllen. Mit zwei Durchschlägen. Sie fragt mich nach meinem Namen. Ich stammele B R I E F M A R K E, sie bleibt beharrlich. Ich gebe auf, sage schnell, wie bei Starbucks, John, hoffe dass sie nicht misstrauisch wird und meinen Pass sehen will. Es klappt. Ich will wieder das Geld übergeben. Sie stempelt das Formular und die Durchschläge, behält einen, reicht mir den Rest und verweist mich an die nächste Schlange. Ich stelle mich an, darf hier nun das Geld übergeben, das Formular wird erneut gestempelt, der Durchschlag verbleibt. Mit dem letzten Papier gehe ich zurück zum Drachen und bekomme überraschenderweise ohne weitere Formalitäten meine Briefmarke und darf sogar die Postkarte hier abgeben!

…währenddessen in Buenos Aires.

Und damit es hier auch mal wieder ein paar aktuelle Bilder zu sehen gibt, anbei eine Galerie aus Buenos Aires, die  Stadt in der ich inzwischen seit zwei Wochen bin und die mich sehr begeistert. Tagüber gehe ich in die Sprachschule und mühe mich  etwas Spanisch zu lernen. Anschliessend laufe ich ein paar Stunden durch die Stadt und staune. Über die Großzügigkeit der Strassen, die eleganten Wohnhäuser, den Rhythmus der Stadt der ganz eigen ist, tagüber eher eher ruhig – eilig scheint es hier niemand zu haben – dafür Nachts um so pulsierender, ich habe das Gefühl dass dies die Stadt ist die tatsächlich niemals schläft.

 

Fuck you Santiago.

Eigentlich wäre es ja mal wieder an der Zeit etwas zu schreiben, über Chile zum Beispiel. Die Tage dort waren aufregend und ereignisreich, ich hatte ja Besuch aus Berlin und wir sind vom Norden, aus San Pedro de Atacama in mehreren Etappen nach Santiago de Chile gereist.

Dort ist dann etwas passiert was für das komplette Südamerika-Paket quasi dazu gehört. Ich habe also irgendwie damit gerechnet, hätte aber trotzdem gern drauf verzichtet. Wir sind überfallen worden. Nicht in einer dunklen Seitenstrasse, nicht mitten in der Nacht. Sondern am frühen hellerlichten Stadtpark, voll von Leuten und auch Security. In der Minute in der grad niemand in der Nähe ist, springen zwei Typen, die ich unter anderen Umständen vermutlich umgehustet hätte, auf uns zu, ich habe ein Messer am Leib und es wird recht schnell deutlich worum es geht, Kameras, Telefone, Brieftaschen, meine Uhr. Das Ganze dauert keine Minute, dann rennen sie los. Wir hinterher, werden noch mit Steinen beschmissen, die Penner verschwinden in den Büschen. Kurz darauf treffen wir Securitys die auch sofort auf Motorrädern losfahren, natürlich ohne Erfolg.

Wir werden der Polizei übergeben die freundlicherweise auch noch eine Runde mit uns durch den Park dreht, eine dreiviertel Stunde später. Überraschenderweise waren die Gangster nicht mehr da. Wir fahren auf die Wache, dürfen unsere Anzeige aufgeben und bieten an dass man über die Ortung des iPhones ja mal schauen könnte ob es noch an ist und wo es steckt. Geht nicht. Chilenische Polizeireviere haben kein Internet. SO werden dann zur U-Bahn gefahren wo man uns freundlicherweise noch ein Ticket spendiert.

Wir sind angepisst, frustriert und genervt. Neben dem materiellen Verlust gibt es dieses unangenehme Gefühl und die Frage was man hätte anders machen können um dem zu entgehen. Vermutlich gar nichts aber der Gedanke treibt um. Von  Santiago haben wir die Schnauze voll, zum Glück geht es bald weiter. Vorher allerdings muss ich noch die Kamerafrage klären. Die bislang verwendete und innig gemochte Fujifilm X-T1 gibt es in Santiago nicht und ausserdem würde es das Budget sprengen. Immerhin finde ich eine leicht überteuerte Knipse, ebenfalls von Fuji, die ich mir in Japan schonmal als Backup kaufen wollte.

Ein kleines bisschen Glück im Unglück war der Umstand dass ich am Tag zuvor zwei Objektive aus meiner Kameratasche ausgepackt habe die ich grad nicht benutzt habe sowie den Pass und die zweite Kreditkarte und 1000 Dollar Bargeld im Apartment gelassen habe.

Ein kleines bisschen lachen musste ich als dass eintrat wovon man immer mal wieder liest und worauf ich spekuliert habe. Ich habe natürlich sofort sämtliche Zugangsdaten, die auf dem Telefon hinterlegt waren, geändert. Bis auf die Dropbox. Die hat nämlich einen automatischen Upload für Kamerabilder. Sobald das Gerät in einem Wlan hängt fängt es an, die zuletzt aufgenommenen Bilder in einen Dropbox-Ordner zu laden.
Zwei Tage später, ich bin mittlerweile in Cordoba in Argentinien, sehe ich dass der entsprechende Ordner auf meinem Computer aktualisiert wird und finde eine nette Sammlung Bilder von dem Trottel und seinen Freunden. Allein, es nutzt mir nichts denn es gibt für mich keine Möglichkeit die chilenische Polizei zu kontaktieren und mit Bezug auf die Anzeige die Bilder, die sogar geocodiert sind, zu übermitteln. Ich könnte im Polizeirevier vorbeigehen und die ausgedruckten Bilder vorbeibringen. Aber ich bin ja in Argentinien. Und nach ein paar Tagen und weiteren Uploads ist es ihm wohl auf aufgefallen oder er hat das Gerät zurückgesetzt oder verkauft an jemand schlaueren.

Shit happens. Get over it.

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Bolivia III Salar de Uyuni

Eigentlich sollte es nach Boliven ja nach Chile gehen. Gings auch erstmal. Von La Paz nach Cochabamba, tief im Dschungel und von dort zunächst nach Iquique in Chile. Angekündigt waren 12 Stunden Fahrt, gedauert hat sie letztendlich 19 Stunden, davon hat allein der Grenzübertritt sechs Stunden gedauert. Ein wirklich sensationell beeindruckendes System von Ineffizienz gepaart mit Faulheit und Desinteresse. Immerhin, am Ende war ich am Meer. Wellenrauschen, Sandstrand, baden gehen. Autofahrer die blinken und an Zebrastreifen anhalten. Und ein prima Schawarma-Imbiss. Aber ich muss weiter, ich bekomme Besuch aus Berlin und der landet in Calama, einer so langweiligen Stadt dass alle Touristen, die hier ankommen, das gleiche machen wie wir auch. Sie setzen sich direkt am Flughafen in ein Shuttle nach San Pedro de Atacama. Der Ort, der die Wüste im Namen trägt und von wo Ausflüge und Touren und Expeditionen dorthin starten, liegt auf gut 2.500m und eignet sich gut als Zwischenstopp um sich ein wenig der Höhe anzupassen. Denn anschliessend fahren wir für vier Tage (zurück) nach Bolivien, in die Salar de Uyuni, die grösste Salzpfanne der Erde und den Nationalpark Reserva Nacional de Fauna Andina Eduardo Avaroa. Hier geht es bis auf knapp 5.000m – Höhen die einem ungeübt ganz schön zu schaffen machen können.

Wir haben eine Tour gebucht, morgens um acht gehts los, Transfer zur Grenze, eine Bretterbude auf dem Berg, dann Aufteilung auf Geländewagen, wir teilen unseren die nächsten Tage mit drei lustigen Chilenen von denen zwei stumm sind und der Dritte etwas deutsch spricht und uns freundlicherweise die interessanten und detaillierten Ausführungen unseres Fahrers zur Flora und Fauna sowie geologischen Besonderheiten der absurd schönen Landschaften die wir durchqueren. Die sind so großartig dass jeder Versuch einer Beschreibung lächerlich wäre. Wir sehen Wüsten, Felsformationen, Lagunen, Berge und haufenweise Viehzeugs: Lamas, Vicunias und natürlich James. James den Flamingo und alle seine Freunde und Verwandten die lustigerweise auch alle James heissen.

Am Ende der Tour landen wir in Uyuni, einem Kaff in der Wüste und erleben dort noch einen kleinen Umzug des bolivianischen Karnevals, der natürlich bunt und laut ist und dessen Lustigkeit sich hauptsächlich daraus speist dass alle Menschen sich gegenseitig mit enorm großen Wasserpistolen nasspritzen und anschliessend mit Rasierschaum aus Dosen garnieren.

Insgesamt eine war es eine großartige Tour bei der alles so war wie wir es erhofft haben. Wenn man diverse Reiseführer und einschlägige Travelseiten im Internet durchschaut, findet man haufenweise gruselige Geschichten über misslungene Touren, kaputte Autos mitten in der Wüste, betrunkene Fahrer, miese, versiffte Unterkünfte und wegen unzureichender Verpflegung am Ende der Tour halbverhungerte Reisende. Zugegeben, man wird nicht gerade gemästet aber es war immer gut gekocht und lecker, die Unterkünfte in denen serviert wurde waren einfach aber sauber. Einmal gabs sogar eine Dusche. Das Auto machte einen solide gewarteten Eindruck und der Fahrer war nicht nur unterhaltsam sondern auch verantwortungsbewusst und besonnen. Unser Veranstalter hiess Atacama Mistica, scheinbar einer der grösseren im Ort.

Bolivia II La Paz

Die Cholitas alleine sind zwar schon ein guter Grund um nach La Paz zu reisen aber die Stadt ist auch darüber hinaus eine überraschend aufregende (Wenn man mal ausser acht lässt dass südamerikanische Städte für westliche Reisende allgemein recht aufregend sind. Wenn man sich aber erstmal dran gewöhnt hat, gibts solche und solche.).

Die Stadt ist voll, laut, stinkt ein bisschen, ist unübersichtlich und sich darin zu bewegen ist anstrengend und unbequem. Das Stadtgebiet verteilt sich über mehrere Täler und die dazugehörigen Hänge, die Höhe variiert zwischen 3.300m und 4.100m. Je tiefer man kommt, desto milder wird es. In diesen Ecken wohnen dann auch „die Reichen“, haben die grösseren Firmen ihren Sitz und ist es auch ein bisschen langweilig weil hier kaum jemand auf den Strassen unterwegs ist, man fährt ja Auto. Bis Mitte letzten Jahres muss es auch sehr mühselig gewesen sein, von einem Ende der Stadt zum anderen zu kommen, die Wege lang, die Strassen verstopft und steil, die öffentlichen Busse sind museumsreife Riesenstinker aus den Fünfzigern (wie zum Hohn steht auf jedem Bus „Pünktlichkeit, Sicherheit, Bequemlichkeit“), daneben gibt es noch die übliche Auswahl an Collectivos, Micros, Taxis. Und dendiedas Teleferico. Neben Unternehmen verstaatlichen und USA verteufeln das Lieblingsprojekt des allseits geliebten Präsidenten, Genosse Evo Morales. Ich vermute er hat diese Stadtseilbahn persönlich geplant und Hand angelegt, anders ist nicht zu erklären warum er überall sein Gesicht hat draufkleben lassen. Gebaut wurde die Anlage von einer österreichischen Firma.

Es gibt drei Linien (acht sollen es nach dem weisen Willen des ewi.. äh Präsidenten mal werden), ähnlich wie Skiliften zieht sich eine Reihe von Masten durch die Landschaft und verbindet mit Gondeln für jeweils acht Personen verschiedene Teile der Stadt sowie der viel höher gelegenen Stadt El Alto (sowas wie dem bösen Zwilling von La Paz, der deutlich schneller wächst und vermutlich bald deutlich grösser sein wird) miteinander. Es ist ziemlich billig, schnell, noch sauber, ruhig (an vermutlich keinem anderen Ort in La Paz hört man tagsüber so wenig Stadtlärm wie in der Kabine) und die Aussicht ist sensationell. Trotz der vielen Vorteile nutzen erstaunlich wenige Menschen dieses Verkehrsmittel. Ein Großteil der Kabinen gondelt selten mit mehr als drei oder vier Passagieren durch die Gegend, insbesondere abends sind die Hälfte davon Pärchen auf einem schnellen, billigen Romantiktrip.

Und wenn man dann ein bis zwei Tage lang Teleferico gefahren ist, gibt es auch am Boden noch eine Menge interessante Sachen zu sehen. Ein paar alte Kirchen wo man aus Opportunitätsgründen beide Augen zugedrückt hat und Gestaltungselemente zugelassen hat für die die Künstler in Europa mindestens exkommuniziert worden wären. Der Hexenmarkt, wo man sich von so ziemlich allem heilen lassen kann, wenn man bereit ist die Tränke, deren Hauptzutaten Schneckenschleim und getrocknete Lamaföten sind, zu schlucken. Es gibt aber auch wesentlich leckere Sachen in der Stadt, überall auf den Strassen werden Kleinigkeiten verkauft, meist fettig, meist gut gewürzt. Super sind z.B. ca. kindskopfgrosse mit Fleischirgendwas gefüllte und fritierte Kartoffelpüreekugeln. Ausserdem gibt es in La Paz die besten Fruchtsäfte der Welt. Sensationelle Kombinationen, riesige Eimer voll für lächerlich wenig Geld. Noch nie war ich so mit Vitaminen aufgeladen wie hier.

Bolivia I: La Cholitas

Dieser Artikel könnte auch unter der Rubrik „Dinge zum ersten Mal tun“ stehen, denn mit dem Besuch der hier beschriebenen Veranstaltung hat sich ein langgehegter Wunsch erfüllt. Eigentlich einer Gründe warum ich seit einigen Jahren gern mal hier hin wollte. Das ganze heisst Lucha Libre und ist die ursprünglich aus Mexico stammende Variante des Wrestlings in denen die Kämpfer maskiert gegeneinander kämpfen. Die bolivianische Besonderheit ist, dass auch Frauen, die Cholitas, gegeneinander kämpfen und dabei in die traditionelle farbenfrohe Tracht aus mehrlagigen Röcken gewandet sind, dazu haben sie dicke geflochtene Zöpfe und natürlich ihren Bowler-Hut, ohne den verlässt ja kaum eine bolivianische Frau das Haus.

Das Ganze findet Sonntag nachmittag in einer Mehrzweckhalle in El Alto, einer an La Paz angrenzenden Stadt von eher nicht so hoher Lebensqualität. Touristen wird auch inständig davon abgeraten, hier allein und erst recht nach Einbruch der Dunkelheit herumzulaufen. Warum auch immer.
Die Einheimischen zahlen so 1-2 Dollar Eintritt, die Touristen ca. 10, bekommen dafür aber auch noch ein paar Postkarten und eine Tüte Popcorn. Und sitzen direkt am Ring, da wo beim Boxen immer Martin Semmelrogge, Neger-Kalle und Helene Fischer sitzen.

Es beginnt mit einer Mariachi-Band, großen Ansagen, Nationalhymne und der Vorstellung der Kämpferinnen und Kämpfer. Es beginnen jüngere, eher unerfahrene Kämpfer, es hat zunächst ein bisschen die Anmutung von Rummelboxen aber schon die zweite Paarung ist deutlich spannender, rasanter und auch brutaler.
Im Verlauf der dreieinhalb Stunden steigert sich die Intensität und besonders die Frauen zeigen spektakuläre Kämpfe die immer öfter auch ausserhalb des Rings ausgetragen werden und sehr dicht ans Publikum gehen. Die Stimmung kocht, die Zuschauer feuern ihre Favoriten/innen natürlich lautstark an und muss sich vorsehen nicht von zersplitternden Obstkisten, über Köpfen berstenden Leuchtstoffröhren, Aluleitern und herumspritzenden Flüssigkeiten (Cola und Blut) getroffen zu werden.
Irgendwann hat dann irgendjemand gewonnen, warum ist nicht immer ganz klar, gefeiert werden sowieso Sieger und Verlierer.

Jill_icke_cholita

Der Flug des (Jonas über den) Kondor.

Es würde sich zwar lohnen, nur wegen des Machu Picchu nach Peru zu reisen aber es gibt dort auch noch andere Großartigkeiten. Die Nasca-Linien zum Beispiel. Unweit der gleichnamigen Stadt. Und weil mein zweiter Vorname nicht Routenplanung lautet, bin ich von Cusco den langen und nicht sehr beschwerlichen Weg mit Nachtbus 14 Stunden zurück an die Küste gefahren. Dort kam ich morgens um neun an, war wenig später in meinem Hotel, dessen freundlicher und geschäftstüchtiger Besitzer genau fünf Minuten brauchte um mir einen Flug zu einem prima Preis (80 USD) am gleichen Vormittag über die Linien zu organisieren. Frischmachen. Kaum Zeit mich noch einmal mit Erich von Dänikens Theorien zu der ganzen Geschichte zu befassen. Pickup. Ab zum Flughafen. Emsiges Treiben, Starts und Landungen im Minutentakt, eine Frequenz wie in Tegel, nur dass die Maschinen alle nicht mehr als 8 Sitze haben. Auch der Sicherheitscheck ist wie in echt, es wird diskutiert ob ich den Imbusschlüssel aus meiner Fototasche mitnehmen darf (Gut, vermutlich kann man in einer Cessna mit einem Imbuss mehr anrichten als in einem Airbus). Ich darf und es geht los mit der Erklärung der Maschine und der Verteilung der Sitzplätze. Mit mir fliegen vier aufgeregte Koreaner. Insgesamt sind wir fünf Passagiere und zwei Piloten. Der Start ist schnell und steil, nach  wenigen Minuten sind die ersten in den Fels gekratzen Linien erreicht, das Flugzeug fliegt eine große Schleife und neigt sich zu jeder Seite gute 45 Grad, das sind die Momente wo man fühlt, wie das ganze Gekröse in einem von einer Seite zur andere schlingert. Tüten liegen bereit aber ich hab mir geschworen, nicht vor den Koreanerinnen zu kotzen und die halten sich tapfer. Nach der dritten Figur (Der Kolibri!) weiss ich dann auch worauf ich zu achten habe und bilde mir ein fortan etwas zu erkennen. Ich sehe sogar Figuren die gar nicht angesagt werden.
Der Flug dauert 40 Minuten und mein Magen und ich sind sehr froh als wir gelandet und ausgerollt sind. Wir bekommen eine Urkunde dass wir nun zertifizierte Nasca-Flieger sind. Ich bin sehr stolz und winke den Wartenden zu.

Den Rest meiner Zeit in der ansonsten eher unspannenden Stadt verbringe ich in meinem hübschen Hotel mit Sachen sortieren und nichts tun. Es wartet die nächste Nachtbusfahrt nach Arequipa auf mich. Dort war ich habe ich lustige Zufallsbekanntschaften gemacht, wurde zum Essen eingeladen und war nicht im Colca Canyon und werde von daher auch nicht darüber schreiben.

 

[ˌmɑtʃu ˈpiktʃu]

Wer A sagt, muss auch B sagen, wer nach Peru reist, hat eigentlich zwangsläufig auch Machu Picchu im Programm, die alte, sagenumwobene Stadt der Inka, hoch oben in den Bergen. Wer das komplette Programm will, erarbeitet sich den Besuch mit einer vier- bis sechstägigen Wanderung auf dem Inka-Trail. Kostet so 400 – 600 Dollar und beinhaltet Verpflegung und Unterkünfte und Träger die den ganzen Kram über die Berge schleppen weil die Touristen ja mit sich selber schon genug zu tun haben, es geht über drei Pässe von je ca. 4.000m Höhe.

Weil aber grad Regenzeit ist und die Touren mehrmonatige Anmeldefristen haben und ich natürlich nicht so weit im voraus geplant habe, fällt diese Option schon mal flach.

Nach zwei Abenden Recherche finde ich erstens ein lustiges Hostel in Cusco, der Machu Picchu nächstgelegenen grösseren Stadt mit sehr beeindruckender kolonialer Architektur und über dieses Hostel auch eine Tour, die in meine Zeit-/Finanz- und Lustplanung passt. Vier Tage, drei Nächte, ein bisschen Spaß für junge abenteuerlustige Menschen, ein bisschen Wandern und am Ende der Aufstieg zum Berg. Alles inklusive für freundliche 250 Dollar.

Die Gruppe besteht aus zwölf Menschen, natürlich total international. Es geht los am frühen Morgen, der erste Programmpunkt heisst Fahrradfahren. Und zwar bergab, 55 Kilometer auf kurvigsten Strassen, von ca. 4.500m auf 2000m. Wir bekommen mittelmässig gewartete Mountainbikes und mehrere Lagen Schutzkleidung. Und einen Helm. Die Strasse ist gut, es wird ganz schön schnell, rechts oder links, je nach letzter Kurve, führt der Blick tief die Abhänge herunter. Hin und wieder überholt ein Auto oder ein Bus oder ein Vierzigtonner. Freundlich hupen tun alle. Irgendwann fängt es sogar an richtig Spass zu machen, besonders in den Kurven die in der Regel von Schmelzwasser überflutet sind. Hier heisst es Beine hoch und durch. Zum Glück trocknet der Fahrtwind die nassen Hosen ziemlich schnell. Ziemlich schnell und etwas überraschend ist dann auch die Tour nach gut 40 Kilometern zuende, Es gab einen Erdrutsch, die Strasse ist mit einem riesigen Berg Erde verschüttet, der Stau kilometerlang, es gibt kein vor und zurück. Wir laden die Räder auf das Begleitfahrzeug und richten uns auf eine umbestimmte Wartezeit ein. Die ziemlich genau eine Stunde dauert. In Windeseile kommen große Bagger angerückt, die anscheinend vorsichtshalber alle paar Kilometer geparkt sind. Es kommt auch kein Statiker vom Strassenbauamt, der absperrt und längere Untersuchungen anstrengt. Nee. Es wird geräumt, der Pöbel applaudiert und kaum ist eine Spur frei, wird der Verkehr freigegeben. Hat ja schliesslich lang genug gedauert.

Wir beginnen mit dem zweiten Programmpunkt und der heisst laufen. Oder wandern. Es geht bergauf, auf schmalen Pfaden durch den Dschungel, nicht lange, denn die Höhe macht uns Flachländern ziemlich zu schaffen. Das Tagesziel ist der Hof einer Bergbauernfamilie. Es ist großartig. Wir bekommen fantastisches Essen, es gibt kaltes Bier und kalte Duschen, der Bauer spielt traditionelle Weisen auf der Gitarre für uns und ansonsten ist nur der Dschungel zu hören. Und der ist ziemlich laut. Stört uns aber nicht, wir schlafen ja.

Am nächsten Morgen bekommen wir noch einen kleinen Vortrag über dass was die Familie hier so anbaut, unter anderem Kakao und Kaffeebohnen.

Anschliessend geht es weiter, auf dem Inkatrail, weiter bergauf, bergab, der Weg ist selten breiter als ein oder zwei Meter. In der Tourbeschreibung für den Tag steht auch der Programmpunkt Cablecar, Seilbahn, dafür sind 5 Soles bereitzuhalten. Die Seilbahn entpuppt sich als ein Stahlseil was über den Fluß gespannt, ca. 300m lang, in 100m Höhe. Daran hängt ein ein mal zwei Meter großes Gestell in das sich zwei Menschen samt Gepäck zwängen um dann von zwei ca. zwölfjährigen Jungs über den Fluß gezogen zu werden. Die Alternative sind diverse Extrakilometer zu laufen. Was natürlich für niemand von uns eine Alternative ist. Nichtmal für mich, denn erstaunlicherweise ist sämliche Höhenpanik vergangener Jahre, samt dazugehöriger Zickereien passé. Ich hab nicht mal erhöhten Puls. Und wenn dann nur von der Höhe an sich. Eigentlich ist es sogar eine ziemlich lustige Angelegenheit und vor lauter Fotografieren komme ich gar nicht dazu aufgeregt zu sein. Die Seilziehjungs haben sich ein kleines Nebengeschäft aufgebaut und verkaufen auch kalte Getränke. Und sie haben Cusqena Negro, eines der leckersten Schwarzbiere die ich je getrunken habe.

Wenig später erreichen wir den Endpunkt der Wanderung, eine Art Freibad, gespeisst aus einer heissen Quelle direkt aus dem Berg. Wir sitzen zwei Stunden im warmen Wasser und fühlen uns ziemlich schnell ziemlich entspannt.

Der Abend endet überraschenderweise in einer Bar/Club/Disco. Der Besitzer scheint überrascht von soviel Kundschaft mitten in der Woche, so dass er erstmal für eine halbe Stunde verschwindet um dann mit seiner Mutti wieder aufzutauchen, die fortan die Bar schmeisst. Es gibt natürlich Pisco Sour und Bier aus Literflaschen…

Den Programmpunkt des nächsten Vormittags heisst Zip-Line. Man hängt sich in ein Gestell und hakt sich an ein Stahlseil und rast dann dergestalt ein paar hundert Meter über eine Schlucht, in der Hoffnung dass das Material ein bisschen besser gepflegt ist als die Mountainbikes am ersten Tag. Der Sinn erschliesst sich mir nicht also klemme ich mir das und spare 30 Dollar.

Am Nachmittag geht es weiter. Vier Stunden in strömendem Regen, auf Bahngleisen entlang Richtung Aguas Calientes, ein Bergdorf, was durch den Machu-Picchu-Tourismus uferlos wuchert, ziemlich hässlich ist und ausschliesslich aus Restaurants, Hotels und Souvenierständen besteht. Mehr braucht es aber wahrscheinlich auch nicht. Wir verbringen den Rest des Tages mit dem verzweifelten Versuch unsere Sachen zu trocknen und gehen früh zu Bett, denn der nächste Tag beginnt früh. Um halb vier. Um vier brechen wir auf und sind fast die ersten an der Ticketkontrollstation vorm Aufstieg zum Machu Picchu. Es regnet ordentlich was aber auch egal ist, die Sachen vom Vortag  waren sowieso noch nicht trocken. Man könnte natürlich auch mit dem Bus hochfahren aber wir wollen die harte Tour. Anderthalb Stunden bergauf auf unregelmässigen Treppen. Um 6.15 Uhr sind wir oben, pünktlich zur Tour. Der erste Blick über die Anlage ist trotz Regen und Nebel atemraubend. Der Guide verbreitet Thesen über die Entstehung an denen Erich von Däniken seine helle Freude hätte. Fundiertes Wissen über die Entstehung und die Funktion oder auch den tatsächlichen Namen der Anlage gibt es nicht, die Inka waren eine Kultur ohne Schrift und ohne Aufzeichnungen.

Irgendwann hört es auf zu regnen, die Wolken verziehen sich und ich stelle mich für eine Weile in die Sonne. Um mich zu trocknen und meine Kamera, die einiges an Feuchtigkeit abbekommen hat. Irgendwann ist alles Kondenswasser verdunstet und ich laufe ein paar Stunden durch die alten Steine, bin sehr beeindruckt kriege zwischendurch gute drei Dutzend mal eine Kamera in die Hand gedrückt, mit der Bitte ein Bild vom glücklichen Paar vor der tollen Kulisse zu schiessen. Mit der Zeit habe ich den Dreh raus, wie die Leute möglichst wenig stören vor den Bergen und den Ruinen.

Am späten Mittag heisst es Abschied nehmen. Ich kaufe eine Cola für sechs Dollar, lache die Busansteher aus und laufe all die Treppen wieder runter, entspanne noch eine Stunde im Hotel, verstaue die stinkenden Sachen luftdicht, freue mich über das frische, trockene T-Shirt und mache mich auf den Weg zurück nach Cusco.