Blick zurück nach Burma

Burma/Birma oder Myanmar wie es seit einigen Jahren offiziell heisst (weil es der Name ist den das Militärregime dem Land gegeben hat, wird er im Westen nur eingeschränkt verwendet) taucht seit Ewigkeiten in schöner Regelmässigkeit in unseren Nachrichten auf, so richtig etwas damit anzufangen wissen aber die wenigsten. Was auch daran liegt, dass es sehr lange sehr abgeschottet wurde und insbesondere individuelles Reisen erst seit einigen Jahren möglich ist.  Und alles was man in den letzten Jahren über Reisen in das Land las, klang zwar interessant aber auch immer ein bisschen kompliziert und beschwerlich.

Für meine Tour hatte ich es auf der Ichkönntjamal-Liste weil es eigentlich nicht so richtig in den Plan passte. Aber Pläne sind ja schliesslich dazu da um geändert zu werden und als ich bei Invisible Photographer Asia, einer Organisation die sich der Förderung der Fotografie speziell in Asien verschrieben hat, ganz zufällig auf ein Angebot für einen Foto-Workshop in Rangun stiess, hat es nicht lang gedauert bis die Pläne angepasst waren. Hong Kong rausgeflogen (war ich schon), Japan gekürzt. Flug gebucht. Und weil es ja schon vorher so viele spannende Dinge zu erleben gab, war meine Vorbereitung eher oberflächlich. Das Thema des Workshops war Street- und Documentary Photography. Beschäftigt euch mit der Stadt und denkt euch ein Projekt aus dass ihr während der Zeit umsetzen wollte.
Hmm ja, halt rumlaufen, Stadt und Leute knipsen. Wobei ich bei mir dachte, mach ich was dokumentarisches, über die koloniale Architektur und so, denn im Prinzip finde ich Menschen auf Fotos eher störend und stehe schonmal 10 Minuten irgendwo rum um die Sekunde zu erwischen wo niemand durchs Bild latscht. Allerdings hat sich in den letzten Jahren mein Eindruck verstärkt dass Menschen die Bilder angucken, es ganz gerne haben wenn auf den Bildern auch Menschen drauf sind. Jedenfalls wenn es sich nicht um ordinäre Durchsbildlatscher handelt.
Meine Vorbereitung bestand im Wesentlichen aus ein paar Wikipedia-Artikeln und diesem Bericht auf Spiegel Online, der einige Tage vor der Reise erschien. Praktischerweise hatte ich damit mein „Projekt“ gefunden, mit dem Zug ein bisschen durch die Stadt juckeln und schauen was so passiert.

Ich war anderthalb Tage vor Workshopbeginn in Rangun und hatte so ein bisschen Zeit um mir ein Bild zu machen, durch die Stadt zu laufen, ein paar Touri-Hotspots wie die Shwedagon Pagode abzuhaken und ein Gefühl für die Dimensionen zu bekommen. Es ist heiss, es ist voll, es ist laut und es ist ziemlich dreckig. Zwar scheint es eine Müllabfuhr zu geben – es stehen jedenfalls wie fast überall auf der Welt die 240l-Zweiradbehälter der Firma Otto rum, ein Großteil des Abfalls, organischer wie anorganischer, landet wo er grad anfällt, auf der Strasse, hinterm Haus, im Fluss, in der Kanalisation. Trotzdem sind sehr viele Leute damit beschäftigt, irgendetwas zu putzen.
Ein Großteil des  Leben findet auf der Strasse statt, die Gehwege sind voll mit Händlern und Essensständen die manchmal fast restaurantartige Dimensionen haben, mit Tischen und Hockern die da stehen wo eigentlich Autos parken. Dazwischen Hunde, Katzen, Tauben und nachts auch noch andere Viecher. Gehandelt wird mit allem, besonders mit raubkopierten DVDs und mit SIM-Karten, Telefonen, Zubehör. Bis vor wenigen Monaten war es für Privatmenschen quasi unmöglich und unbezahlbar ein Mobiltelefon zu besitzen, inzwischen gibt es neben dem Netz der staatlichen Post auch noch zwei private Netze ausländischer Betreiber die zumindest in Rangun schon ziemlich gut funktionieren. Und jede/r hat ein Telefon. Sehr erstaunlich wie schnell das offensichtlich Teil der Alltagskultur geworden ist.
Etwas kommt mir merkwürdig vor und nach zwei Tagen fällts mir auf. Die Autos hier haben zwar das Lenkrad auf der rechten Seite, gefahren wir aber ebenfalls rechts (ganz normal wie bei uns). Nach der Unabhängigkeit vom Empire wurde das wohl mal umgestellt, die Autos hat man aber trotzdem weiter hauptsächlich (gebraucht) aus Japan, weils halt billiger ist.
Man spürt in der ganzen Stadt eine Dynamik, eine Aufbruchstimmung, es vibriert regelrecht, alle warten auf irgendein Zeichen dass es jetzt endlich losgeht, nachdem man ja einigen Jahrzehnte im realsozialistischen Dornröschenschlaf verbracht hat. Möglicherweise sind ja die  Wahlen im nächsten Jahr das Zeichen.

Achja, der Workshop. Der erste Tag verging mit vorstellen, Bilder zeigen und ein paar Übungen zur Betrachtung und Bewertung von Bildern. Eine bunt gemischte Gruppe mit Teilnehmern aus Singapur, Australien, Burma und icke.
Die nächsten drei Tage verbrachten wir mit fotografieren. Ich mit der eindeutigen Aufgabe, ausschliesslich eine kurze Brennweite zu verwenden und näher ranzugehen, denn, das war wohl beim Review meiner mitgebrachten Bilder recht offensichtlich, wenn ich schon Menschen fotografiere, dann aus der Distanz, mit den entsprechenden Nachteilen.
Also hab ich versucht näher ranzugehen, was einem in Burma netterweise sehr leicht gemacht wird, die Menschen lassen sich fotografieren, freuen sich, sind interessiert. Und so hab ich mich durch Züge, Bahnhöfe, Märkte, Fähren, Dörfer, Zoos, Vergnügungsparks und Klöster geknipst. Und war ganz schön dicht dran. Insgesamt waren es sehr produktive und lehrreiche Tage, eine Schau von Bildern aller Teilnehmer findet sich hier. Und dank der einheimischen Teilnehmer haben wir die Abende in grandiosen Restaurants verbracht, die burmesische Küche hat so einiges zu bieten.

Burma-21Ich wurde übrigens auch oftmals selbst zum Objekt. Der Burmese hat zurückgeknipst. Mal nur mich, mal mit daneben stellen. Die Krönung war eine Gruppe von gut 50 jungen Menschen die sich alle einzeln mit mir (und meiner Begleitung) haben fotografieren lassen. Gelegentlich hab ich dann auch noch zum Selfie gebeten.

Gruppenselfie mit neugierigen Burmesenmädchen

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