Zugfahrt nach Mawlamyine

Montag morgen, 07:15h, Rangun Central Station, ich sitze im Zug nach Mawlamyine (vormals Moulmein), der früheren Hauptstadt des britisch-kolonialen Burmas. Eigentlich wollte ich die verbleibenden Tage im Land ja für einen Ausflug nach Bagan nutzen und mir die vermutlich sehr beeindruckenden Tempelanlagen anschauen. Nach der ziemlich anstrengenden Woche in Rangun folge ich der Empfehlung einer einheimischen Teilnehmerin des Foto-Workshops und ändere die Pläne. Sie schaute ziemlich entgeistert als ich sie nach einer Zugverbindung fragte (Es gibt doch Busse!?!). Kein Wunder, für die 250km braucht der Zug 10 Stunden. So genau weiss man das vorher nicht. Seis drum, ich hab ja Zeit! Fahrkarten gibt es nicht im Vorverkauf, nur am Tag daselbst, an einem Schalter in der hintersten Ecke des Bahnhofs. An dem ich pünktlich um sechs Uhr stehe, meinen Pass vorzeigen muss. Mein Name wird in die Sitzplatzreservierungsliste eingetragen, ich buche natürlich Upper Class (gepolsterte Sitze, yeah!) und zahle überraschenderweise nur den Einheimischenpreis von ca. 3,50 Euro (inkl. Unfallversicherung!) Die Sitze sind bequem, der Abstand geradezu luxuriös. Fensterscheiben gibt es nicht, wenn man mag kann man eine Blechjalousie mit Lichtschlitzen runterschieben. Mach ich aber nicht, ich will ja was sehen. Und ich sehe eine Menge. Das schnell noch auf den Kindle geladene Buch „Days in Burma“ von George Orwell, was er während seiner Zeit als Kolonialbeamter in Moulmein schrieb, muss warten. Der Zug zuckelt in unterschiedlichen Ausprägungen von langsam durchs Land. Sobald es mal in Richtung 50 km/h geht, schaukelt sich der Zug so auf dass alle Fahrgäste im Takt in ihren Sitzen auf und ab hüpfen. Ein sehr lustiges Bild, an lesen ist auch deshalb nicht zu denken. Beeindruckend, dass die Frauen, die an jeder Station zusteigen und bis zum nächsten Halt durch die Zug laufen und Getränke, Snacks und warme Mahlzeiten verkaufen, es bei dem Geruckel schaffen ihre Waren auf dem Kopf zu balancieren. Auch wenn das Essen gut aussieht und riecht, ich nehme Abstand davon etwas zu kaufen, den eher lockeren Umgang mit grundsätzlichen Regeln der Lebensmittelhygiene möchte ich meine Magen nicht ausbaden lassen. Immerhin, es gibt kaltes Dosenbier. Stunde um Stunde ruckelt der Zug durchs Land, vorbei an grandiosen weiten Landschaften mit dichter Vegetation, Kokos- und Bananenpalmen, auf jeder Erhebung sieht man die goldene Spitze einer Pagode. Dazwischen Siedlungen und Dörfer, in der Regel eine Ansammlung von einfachsten Pfahlbauten, Dach und Wände sind ein Geflecht aus Palmblättern. In diesem Entwicklungsland hat ausserhalb Ranguns scheinbar noch nicht viel Entwicklung stattgefunden, wenn man mal von den grandiosen Müllbergen absieht die sich allerorten hinter den Häuser ausbreiten. Werden die Haufen zu gross, zündet man sie einfach an. Meine Mitreisenden tragen fleissig zur Vermüllung bei indem sie einfach alles was nicht mehr benötigt wird aus dem Zugfenster schmeissen. Um 16;50h, pünktlich auf die Minute, erreichen wir Mawlamyine, die Reisenden werden schon am Gleis bestürmt von Taxifahrern die ihre Dienste anbieten. Wobei Taxi hier Motorroller bedeutet. Ich habe mich kobern lassen und bin skeptisch als der freundliche junge Mann mit dem sympathischen, vom Bethelnusskauen tiefrot gefärbten Lachen mich auffordert auf seinem Mopped Platz zu nehmen. Ich habe zwar in den letzten Wochen ein paar Kilo verloren, dafür aber meinen 20kg schweren Rucksack auf dem Rücken. Meine Sorge ist unbegründet, mit mir hinten drauf sind wir so langsam dass uns vermutlich der Zug überholen könnte. Und es kommt wie es kommen muss, am ersten Hang verreckt die Karre, mein Fahrer winkt einen Kumpel mit einem etwas kräftigeren Gefährt ran und ich muss umsteigen. Nun habe ich ein bisschen Angst denn der Typ will nun zeigen dass sein Roller es draufhat und wir brettern durch die Stadt, ich klammere mich an einem Griff fest und versuche nicht nach hinten zu kippen, was bei den recht steilen Strassen gar nicht so einfach ist. Aber ich habe Glück und werde wohlbehalten an meinem Hotel abgesetzt, kann mich frisch machen und finde eine erste Bestätigung für die Behauptung dass es in Mawlamyine das leckerste Essen im ganzen Land gibt, in Form eines Avocadosalates mit gehackten Erdnüssen und wirklich sensationellem Fried Rice mit Seafood. Weil es voll ist an der Strandpromenade, setzt man mir einfach zwei weitere Gäste an den Tisch, ein Pärchen aus Polen, ebenfalls längere Zeit auf Tour und so plaudern wir den ganzen Abend über die verschiedenen Aspekte des Reisens.

  1. Lieber Jonas,
    nicht nur deine tollen Fotos sind beeindruckend, sondern mir gefällt deine Beschreibung, du hast eine besondere Art, mach weiter so und bleib gesund.
    Grüße aus dem so normalen, manchmal langweiligen Berlin, wenn mein die Orte vergleicht, die du z.Zt.l besuchst .
    DiDi

  2. Hello Joanna:-) Ja, ich ernte auch regelmässig irritierte Blicke wenn ich die Plastiktüten ablehne und stattdessen meinen Stoffbeutel auspacke wenn ich mal was einkaufe.

  3. Die Zugfahrt (insgesamt dein Eindruck von Birma) erinnert mich sehr stark an Indien. und ich sage nur: Hochkantige Schlitze in den Fenstern für Becher-Entsorgen, Querschlitze in den Fenstern für Teller-Entsorgen… ich hatte meinen Müll in einer kleinen Plastiktüte gesammelt und war DAS Gesprächsthema Nr. 1 im Zug ;o) freu mich schon auf Fotos!!

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