Busfahren

Nach einer Woche also hab ich es geschafft, aus Lima aufzubrechen. Die Richtung hiess Cusco, die alte Hauptstadt des Inka-Reiches. Das erste Ziel Huancayo, eine Stadt schon ziemlich hoch in den Bergen.

Züge gibt es in Peru nur sehr wenige, das Verkehrsmittel der Wahl ist der Bus. Busse gibt es in sehr unterschiedlichen Qualitätsstufen. Zu Anfang dachte ich mir, fange ich mal ganz oben an. Der Mercedes unter den peruanischen Buslinien heisst Cruz del Sur. Das Firmenmotto lautet Sicherheit, Pünktlichkeit, Bequemlichkeit  und in der Tat werden sie ihrem Anspruch ziemlich gerecht. So wie man hier Bus fährt, würd ich gern mal fliegen. Breite Sitze die man zum schlafen fast waagerecht neigen kann, WiFi, warmes Essen am Platz, serviert vom Busbegleiter, der später dann noch mit den Passagieren eine Runde Bingo über Bordmikro spielt. Gern hätt ich die Fahrt genossen, wäre es nicht bis auf Höhen von 4.600 Metern auf kurvenreichen Strassen in den Anden gegangen. So habe ich mich an meine Kotztüte gekrallt, den Sitz geneigt und mit Herzrasen, Atemnot, Übelkeit und Kopfschmerzen dahingedämmert. So vergehen acht Stunden auch wie im Fluge.

In Huancayo habe ich  zwei Nächte und den Tag verbracht um mich von den Strapazen zu erholen. Dabei Meerschweinchen gegessen (schmeckt wie Hühnchen, ist nur kaum Fleisch dran und wir in der Regel mit Kopf serviert, hier ein Zeichen von Qualität, da der Esser so erkennen kann dass es keine Katze ist. Wurde mir jedenfalls so erzählt), einen Tagesausflug zu den archäologischen Sehenswürdigkeiten der Umgebung gemacht, in einem Kleinbus voller gutsituierter peruanischer Touristen (was es genau zu sehen gab, weiss ich leider nicht weil, die Tour entgegen den Beteuerungen beim Buchen natürlich nicht auf Englisch sondern ausschliesslich auf Spanisch stattfand. War trotzdem lustig und irgendwann konnten die zwei reizenden Töchter der mitfahrenden peruanischen Familie dann doch ein bisschen Englisch und haben mich mit Infos und beim Lunch mit Essensempfehlungen versorgt.

Von Huancayo wollte ich eigentlich mit dem rumpeligen Schmalspurzug weiter nach Huancavelica. Leider fährt der dienstags nicht und so musste ich auf Expreso Molino mit dem Ziel Ayacucho ausweichen. Eine Busgesellschaft, die eher zur Kategorie C gehört (B hab ich bisher noch nicht gefunden). Natürlich keine Klimaanlage, eher enge Standardsitze aber immerhin ein Klo an Bord (auch wenn die Tür nicht schloss). Kurz nach Beginn der Fahrt stellte sich der Busbegleiter, den es auch hier noch gab, in den Gang und fing an zu reden. Ich dachte schon zu früh gefreut Sitznachbar, also du mich ausgelacht hast während ich versuchte, den vermutlich noch nie zuvor benutzten Sitzgurt für mich passend zu machen. Wie sich dann aus Wortfetzen und hochgehaltenen Bildtafel erschloss, hat der Mann keineswegs die Securityfeatures des Busses erläutert sondern eine astreine Verkaufsshow abgezogen. Es ging um Verdauung. Die Bilder waren recht explizit, die Leute beeindruckt und als er dann zum Höhepunkt des Vortrages einen eingeweckten Bandwurm (vielleicht war es auch nur ein langer weisser Schnürsenkel im Glas, so genau konnte ich das nicht erkennen) in die Höhe hielt, gab es unter den Fahrgästen kein Halten mehr und ihm wurden die Packungen mit dem beworbenen Wundermittel aus den Händen gerissen.

Die Fahrt ging dann wieder durch die Berge, diesmal über weitgehend unversiegelte Pisten, über Stock und Stein, durch Schluchten und Täler von beeindruckender Gewaltigkeit. Auf einer Seite des Busses immer ein Abhang, die Strassen so schmal dass immer mal wieder entgegenkommende LKWs ein paar hundert Meter rückwärts fahren mussten bis zu einer Stelle wo man dann aneinander vorbeikam. Wer wann wo vorbei kann, Vorrang hat oder überholen will, wird durch ein sehr diffizieles System von Hupzeichen ausgemacht. Zwischendurch steigt immer mal wieder jemand zu und verkauft leckere Empanadas, Eis, mir unbekanntes Gemüse oder Chicha, eine Art Maisbier, dessen Fermentierung dadurch in Gang gesetzt wird, dass eine alte Frau in den Eimer mit der Maisbrühe rotzt.

In Ayacucho bin ich wiederum zwei Nächte geblieben, bin durch die Stadt spaziert, habe eine lustige kleine Prozession um den Marktplatz herum mitgemacht um anschliessend im besten Haus am Platz einzukehren und hinter Alpaca einen Haken zu machen. Ein sehr schönes Fleisch, dunkel und kräftig, aromatisch und überraschenderweise hier eher als Arme-Leute-Essen bekannt.

Das nächste Etappenziel auf dem Weg nach Cusco hiess eigentlich Andahuaylas, zu bewältigen in einem Minibus mit 16 Passagieren, wobei die zwei Kinder nicht mitzählten weil sie ja keinen Sitzplatz beanspruchten sondern auf dem Schoss der Mutter sassen oder auf dem Boden zwischen Beinen. Unter anderem meinen, was die Sache nicht bequemer machte. Und als das Mädchen dann auch noch anfing, Ommas Rock vollzukotzen, hatte sie zwar mein volles Mitgefühl sowie eine meiner Plastiktüten für die nächste Attacke aber ich war doch froh dass die Fahrt nur gute vier anstatt erwarteter sieben Stunden dauerte. Und dass nicht nur wegen der sehr sportlichen Fahrweise des Fahrers der es wohl als persönliche Beleidigung auffasste wenn jemand vor uns fuhr und einfach immer überall überholt hat. Hauptsächlich Zeit gespart hat die neue asphaltierte Strasse die seit einem halben Jahr die alte Schotterpiste ersetzt. Und so konnte ich einfach den Anschlussbus nach Abancay nehmen, ein Ort weitere vier Stunden im Minibus auf guter Piste.  Das Kotzkind war wieder dabei, diesmal stabil. Leider fuhr Omma mit ihrem vollgekotzten Rock auch mit und so stand die Wahl zwischen erstinken und erfrieren, denn auf 4000m ist es ganz schön frisch.

Abancay ist eine Kleinstadt in den Bergen in der man gut einen Nachmittag und Abend verbringen kann. Und genau an meinem Abend fand auf dem Hauptplatz der Stadt eine Fiesta statt. Vor der Kirche stundenlanges Getrommel und Gefiedel und dazu junge , meist männliche Menschen, die in aufwendigen Masken und Kostümen wilde Tänze aufführen. Das Ganze kulminierte in einem Feuerwerk das stark nach Marke Eigenbau aussah, an großen Holzkonstruktionen befestigt ist und unglaublich laut und hell und spektakulär. Und es stört auch niemand wenn mal ein Stück vom Feuerwerk fehlgeleitet in die Menge schiesst.

Die letzte Etappe nach Cusco beginnt am nächsten Morgen, ein großer Rumpelbus ohne Klo, der aber auf Klopfzeichen anhält, so das alle aussteigen und sich ob Mann oder Frau, bei spektakulärer Aussicht vor, hinter und neben dem Bus erleichtern können. Ich habe mich inzwischen so an Höhe, Geschaukel und spektakuläre Aussichten gewöhnt, dass ich einen Großteil der Fahrt bis Cusco lese.

  1. Hallo, liebe(r) Unbekannte(r)!
    Danke für Ihren anschaulichen Bericht! Die besten, aktuellsten Infos im Netz über die Strecke Huancayo – Cusco! Würde mich über eine eMail bzw. einen Anruf freuen, weil ich schon am 24.02. zu meiner Peru-Reise aufbrechen werde (Mietwagen) und nicht weiß, was da auf dieser Strecke zu erwarten habe.
    Danke…und hier meine Tel. Nummer: 07125-3762 (Bad Urach bei Stuttgart)

  2. Erstinken oder Erfrieren? Was für wunderbares Motto 😉 Ich fühle mich wie dein Sitznachbar wenn ich das alles Lese. Obwohl mir die mehr als 4000 m immer noch nicht in den Kpf wollen. Wahnsinn!

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